Der Himmel beginnt in dir. Anselm Grün

Der Himmel beginnt in dir. Freiburg 2012, ISBN: 978-3-451-06364-0

Der Untertitel dieses kleinen Paperbacks von Anselm Grün (142 Seiten) ist Programm: „Das Wissen der Wüstenväter für heute.“ Anselm Grün beginnt mit einem kurzen historischen Rückblick über die Entstehung des frühen Mönchtums. Angefangen vom 20-Jahre-jungen Antonius, der um 270 n.Chr. in die Wüste zog, bis hin zu den Klostergründungen Benedikts im 6. Jh. Vor allem die frühen Mönchsväter hatten in ihrer Einsamkeit viel Zeit, ihre Gedanken und Gefühle genau zu beobachten und sie dann bei gemeinsamen Treffen am Sonntag mit ihrem geistlichen Vater zu besprechen. So erwarben sie eine große Menschenkenntnis und lernten zwischen Gott und anderen Kräften und Mächten zu unterscheiden.Dieses Wissen begegnet uns noch heute in den sogenannten Vätersprüchen, die im 4. und 5. Jht gesammelt und aufgeschrieben wurden. Anselm Grün hat hunderte dieser Worte gesichtet und versucht im folgenden, eine Spiritualität der Väter und ihrer Erkenntnisse über die menschliche Seele zu beschreiben. Dabei zitiert er immer wieder auch einzelne Sprüche und legt sie für heute aus. Deutlich wird: es gibt keine Gotteserkenntnis ohne Erkenntnis der eigenen Abgründe. Wer Gott begegnen will, darf sich über sich selbst nichts vormachen. Da „Geistliches Leben“ für die frühen Mönche immer auch die Kunst des gesunden Lebens war, empfehlen sie äußere Ordnungen und Übungen, um zur inneren Ordnung und inneren Freiheit zu finden. Gewiss wird man heute nicht den Lebensstil der Altväter nachahmen können, wohl auch kaum nachahmen wollen. Dennoch regt die Auseinandersetzung mit ihnen dazu an, den eigenen Lebensstil zu überdenken.
Gegen Ende des Buches geht Anselm Grün auf die wichtige Rolle von Gebet und Kontemplation auf dem Weg zu innerer Heilung des Menschen ein. Ziel ihres Weges war für die Wüstenväter nicht der große Asket zu werden, den alle bewundern, sondern der sanftmütige Mensch. Denn erst in der Sanftmut sahen sie ein Zeichen dafür, wie weit jemand Christus verstanden hat und ihm nachfolgt.

Was können wir von den Wüstenvätern lernen? Anselm Grün fasst es so zusammen:

  • eine große Sehnsucht nach Gott, die sie antreibt, durch die sie sich auf ihrem Weg nicht entmutigen lassen (aktuell denkt Anselm an Konflikte in der Kirche, diffuse Depressivität und Säkularisierung unserer Gesellschaft, aber auch an unangemessenes Leistungsdenken und an oberflächliche Debatten über die Struktur der Kirche) – eine Weise, das biblische „betet ohne Unterlass“ zu erfüllen und so in der Liebe zu Gott vertieft zu werden
  • – eine „Spiritualität von unten“ die „den Mut hat, alles, was in uns ist, auch unsere Schattenseiten, anzuschauen und Gott hinzuhalten … der alles, was wir ihm hinhalten, verwandeln wird, bis auch in uns das Bild Jesu Christi aufscheint“ (137)
  • – Optimismus, „dass wir an uns arbeiten können und dass wir nicht heillos unseren Anlagen und unserer Erziehung oder der gesellschaftlichen Situation ausgeliefert sind…“ (aaO)Alles in allem ein kleines großes Buch. Wer sich für die Spiritualität der Wüstenväter interessiert, findet hier eine gute Einführung und viele anregende Gedanken für heute.