„… und das Wort war Gott.“ Joh. 1,1

„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Mit diesem Paukenschlag beginnt der Evangelist Johannes sein Evangelium. Wer weiterliest, erfährt: das Wort wurde Fleisch, wurde Mensch – gemeint ist also Jesus. Die Kirche hat in Joh. 1,1 schon immer einen der deutlichen biblischen Hinweise für die Gottheit und Präexistenz Jesu gesehen. Insofern ist der erste Vers des Johannesevangeliums einer der Samenkörner für die später ausgearbeitete Trinitätslehre, nach der Gott EINER ist, aber uns als Vater, Sohn und Heiliger Geist begegnet. Zu sagen, dass uns in Jesus Gott begegnet, ist nicht einfach nur eine nette Umschreibung seiner großen Bedeutung. Es ist auch nicht einfach eine etwas übertriebene Ausdrucksweise seiner Jünger, die ihm einen besonderen Ehrentitel geben wollten, Motto: wenn die römischen Kaiser sich schon für göttlich hielten, dann ist unser Meister es erst recht. Sondern mit dem „war Gott“ wird etwas von dem verborgenen Wesen Jesu beschrieben. Jesus war, bevor er Mensch wurde, schon als ewiges Wort beim Vater. Darum sprechen Christen von der MENSCHWERDUNG Gottes, wenn sie von Weihnachten sprechen. Das meint eben nicht die ehrenvoll gemeinte nachträgliche Vergöttlichung eines Menschen und schon gar nicht den Größenwahn eines römischen Kaisers, sondern etwas, was Jesus dem Wesen nach schon immer war: Gott.
Nun gibt es immer wieder Versuche, die Lehre von der Menschwerdung Gottes bzw. seines Wortes kritisch zu hinterfragen. Der Islam tut es schon immer, indem er den Christen unterstellt, sie würden an mehr als einen Gott glauben, wenn sie von Vater, Sohn und Heiligem Geist sprechen. Das dies ein grobes Missverständnis ist, liegt auf der Hand und soll hier nicht weiter thematisiert werden. Schwerer wiegt die Kritik, die sich auf die Bibel selbst beruft: die Kirche hätte ihr ureigenes Glaubensdokument schlicht falsch verstanden. In der Alten Kirche hat das jemand wie der Diakon und Presbyter Arius so gelehrt, die Zeugen Jehovas glauben das noch heute; für die  Zeugen Jehovas ist Jesus zwar der Weg zu Gott, aber selbst ein Geschöpf wie wir. Er ist für uns vielleicht wie Gott, aber er ist eben nicht Gott. Eine der wichtigsten Belegstellen für diese Auffassung ist  Johannes 1,1. Dazu muss man wissen, dass das Neue Testament ursprünglich in Griechisch geschrieben wurde. Der erste Vers lautet an der entscheidenden Stelle: kai Theos än ho Logos (und – Gott- war – das – Wort). Die Argumentation ist dann wie folgt: weil hier lediglich „Gott“ – ohne Artikel – steht, sei gar nicht der vorher genannte Gott gemeint, sondern es heiße das Wort war „wie (ein) Gott“, also irgendwie göttlich, aber eben nicht Gott. Was ist dazu zu sagen?
Zum einen: so einfach wie von den Zeugen Jehovas behauptet funktioniert das neutestamentliche Griechisch schlicht nicht. Eine genauer Analyse der Sprache zeigt, dass der Artikel bei Wörtern wie Theos (Gott) und Kyrios (Herr) oftmals fehlt, ohne dass sich an der Bedeutung etwas ändert. (Für Interessierte: Nachzulesen in der „Grammatik des Neutestamentlichen Griechisch“ von Blass-Debrunner-Rehkopf, § 254, was ohne Zweifel als DAS wissenschaftliche Standardwerk im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus gelten kann).
So heißt es in Vers 6 auch schlicht, der Täufer Johannes sei geschickt worden „para theou“, was sicher NICHT zu übersetzen ist mit „von einem Gott“, sondern eben von dem Gott, von dem immer schon – auch Vers 1 – die Rede ist.
Zum anderen hat bereits Theodor Zahn in seinem Johannes-Kommentar darauf hingewiesen, dass eine Fehldeutung im Sinne eines Arius von Johannes bewusst ausgeschlossen worden ist. Johannes hat bewusst die ersten beiden Aussagen vorangestellt: „Im Anfang war das Wort“ – dies steht auch im Griechisch im Imperfekt, und meint dort einen Zustand: bevor die Schöpfung losging, war es schon da; es ist ewig wie Gott Vater; zugleich war es „bei Gott“ – in Gemeinschaft mit Gott und zugleich irgendwie von ihm unterschieden. Dieses schillernde Ineinander-Miteinander, „ungetrennt und ungeschieden“ (so lautet dann die Formel vom Konzil in Constantinopel) ist eben das, was die traditionelle Trinitätslehre unter Berücksichtigung des Heiligen Geistes auszusagen versucht: drei Personen und doch eins.

Interessant ist, wie moderne Bibelübersetzungen mit dem Anfang des Johannesevangeliums umgehen. Die Elberfelder Bibel übersetzt – fast möchte man sagen: gewohnt wortgenau und der Sache nach richtig – „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“

Die „Hoffnung für alle“ schreibt: „Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott selbst.“ – das ist weniger wortgetreu, aber der Sache nach richtig.

Ziemlich verblüfft war ich dann über die Version der „Guten Nachricht“: „Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und in allem war es Gott gleich.“ – „Gott gleich“ – das kann im Sinn eines „ähnlich, aber eben nicht Gott“ missverstanden werden. Nun unterstelle ich mal, dass die Herausgeber der „Guten Nachricht“ weder einem Arius das Wort reden noch der Fehldeutung der Zeugen Jehovas den Boden bereiten wollten. Offenbar war man sich der Brisanz der Textstelle für den interreligiösen Dialog nicht bewusst. Immerhin zeigt der Umgang mit der christologisch ähnlich wichtigen Stelle im Kolosserbrief, dass die Wortwahl in Joh.1,1 wohl stilistische Gründe hatte und nicht etwa auf bedenklichen theologischen Vorentscheidungen beruhte: „Er (Jesus) ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der erstgeborene Sohn des Vaters, aller Schöpfung voraus und ihr weit überlegen.“ Kol. 1,15 Das ist meiner Meinung nach wieder SEHR frei übersetz, aber inhaltlich von Paulus durchaus so deutlich gemeint.